HARUKO MAEDA
www.harukomaeda.com
Urban Art Spot Schönbrunner Straße 110, 1050 Wien
inside Schönbrunnerstrasse 110:
Die japanische Künstlerin Haruko Maeda (geb. 1983 in Tokio) produziert in aufwendiger Präzisionsarbeit, die an altmeisterliche Techniken denken lässt, Kunstwerke allererster Güte: Gemälde, Zeichnungen und Skulpturen. Sie variiert das Genre des Herrscherporträts und malt mit großer Vorliebe Bilder von Frauen, die sie Knochenporträts nennt. Für Maeda kennzeichnen Knochen jedoch nicht eine Todessehnsucht, sondern symbolisieren die Ewigkeit und eine geistige Stärke, die das Fleisch überdauert. Mit diesen Gemälden setzt sie sich außerdem kritisch mit der weiblichen Diskriminierung in patriarchalen Gesellschaften auseinander und will ausgewählten, von der Geschichte sträflich behandelten Personen eine symbolische Macht verleihen. „Ich will in meiner Arbeit starke Frauen zeigen,“ sagt die Künstlerin und erzählt vom katholischen Reliquienkult, der sie fasziniert und den sie sich bis zu einem gewissen Grade aneignete, um „die Personen, die ich male, zu Stars zu küren“.
So stellt sie etwa Maria Anna von Österreich (1738–1789), die gering geschätzte Tochter von Kaiserin Maria Theresia, in ornamentaler Pracht dar. Den Körper der gebrechlichen Prinzessin hüllt die Künstlerin in ein edles, ausladendes mit vegetativen Motiven und Mineralien verziertes Brokatgewand. Aus dem Kleid von Maria Anna, die während ihres Lebens intensive naturwissenschaftliche Studien und künstlerische Interessen verfolgte und deren Mineraliensammlung im naturhistorischen Museum in Wien aufbewahrt ist, ragen ein Totenkopf, der mit einem Perlendiadem geschmückt ist, und knöcherne Gliedmaßen, die in alle Bildrichtungen zerbersten – Rippen scheinen durch die transparente Rüschenbluse. Maria Anna sagte einmal: „Gott hat mir die Gnade gegeben, die Welt und ihre Eitelkeit zu erkennen.“ Die japanische Künstlerin will jedoch nicht nur wie im barocken Vanitas-Kult Glauben machen, dass alles eitel ist, sondern versteht die Vergänglichkeit als Teil eines unendlichen, lebenssteigernden Prozesses der Transformation.
Die Darstellungen von Maeda, die in einem statischen Medium die Zeit suspendieren, basieren häufig auf historischen Vorlagen, die sie in Museen studiert oder im Internet und in Büchern recherchiert hat. Die Künstlerin, die mit 20 Jahren Japan verlassen hat, um in Europa Kunst zu studieren, und 2012 an der Kunstuniversität Linz bei Ursula Hübner das Malereistudium absolvierte, verwendet neuerdings auch kleine, ausgestopfte Tiere wie Mäuse und Vögel für schön-makabre Skulpturen: „Gifts“ (2017). In ihrem Oeuvre, das häufig die antike Angst vor der Leere, den horror vacui, in Szene setzt, lässt Maeda die Gegensätze von Eros und Thanatos, Schönheit und Schrecken virtuos kulminieren.
„Renaissance 4“ (2018) ist ein kleinformatiges Gemälde mit aufwendigem Holzrahmen, den die Künstlerin selbst geschnitzt hat und mit einem Relief aus Blättern, Insekten, Kot und toten Tieren versehen hat. Im Zentrum dieser Arbeit steht ein Kothaufen, aus dem Blüten sprießen: der Keim des Todes, der Leben in sich birgt. Die Darstellung von Fäkalien als Endprodukt einer biologischen Verwertungskette rüttelt an den Grundfesten kulturell kodifizierter Verhaltensweisen und gesellschaftlicher Tabuisierungen.
Im Sinne des französischen Ethnologen Arnold van Gennep (1873–1957) könnte man, wenn man die Arbeiten von Maeda betrachtet, auch an die „Rites de passage“ denken, den ewigen Kreislauf von Werden und Sterben, die Überwindung subjektiver Grenzen und die individuelle Einbettung in ein gesellschaftliches Gefüge. Text: Angela Stief