BASTIAN SCHWIND
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Urban Art Spot Burggasse 62, 1070 Wien
inside Burgasse 62:
Bastian Schwind geht in seiner Werkserie "Getippte Fotografie" (2015-) der Frage nach, inwiefern die geschriebene Sprache als „fotografisches Medium“ funktionieren kann. Dies untersucht er einerseits auf formaler und technischer Ebene: Das Motiv wird mit Hilfe einer Schreibmaschine in Leserichtung von links nach rechts auf das Papier getippt. Dabei werden die einzelnen Elemente des Bildes mit ihrer linguistischen Bezeichnung beschrieben, ein Haus also als Haus benannt, der Himmel als Himmel, Asphalt als Asphalt. Dies wird so lange praktiziert, bis formal eine abstrakte, fast graphische Darstellung als Wortbild entstanden ist. Das Bild und die sprachliche Bezeichnung bedingen sich hier einerseits durch Semantisierung (Bild-Text), andererseits durch Referenzialisierung (Text-Bild). Obwohl der Titel der Werkgruppe auf ein fotografisches Vorbild schließen lässt, an welchem sich der Künstler orientiert, sind die Abbildungen fiktiver Natur.
Der analog getippte Text wird erst durch fotografische Praktiken wie Reprografie, digitaler Bildbearbeitung und Ausarbeitung in das Medium Fotografie überführt. Andererseits liegen seinen getippten Fotografien auch die Untersuchung der räumlichen Bezüge zugrunde, die der Transfer von dem einen Medium in das andere mit sich bringt: denn in ihrer buchstäblich textuellen Beschaffenheit bleiben die Arbeiten im Zweidimensionalen verhaftet, ein Bildraum – das heißt eine Gliederung in räumliche Bezüge – entsteht keiner. Seine abstrakte Wortbilder fungieren vielmehr als Katalysator, der an die BetrachterInnen appelliert mit Hilfe ihrer kognitiven Leistung und ihres eigenen Bildarchivs den Eindruck einer räumlichen Illusion zu erzeugen; er fordert das Publikum gewissermaßen auf das Foto zu Ende zu entwickeln: „Der großformatige Abzug provoziert bei der Betrachtung ein Spiel der Assoziationen zwischen dem gelesenen Wort, den eigenen bildlichen Erinnerungen und den habituellen Sehgewohnheiten.“ (Bastian Schwind)
Text: MMag. a Barbara Pflanzner
"Architectural Typography" (2019) ist die erste von zwei konstitutiven Fotoserien. Mit Hilfe von Schablonen schuf Bastian Schwind eine Sammlung von 30 verschiedenen Symbolen. Die hieroglyphenartigen Formen können einen universellen Sinn für Assoziation und Bedeutung ausstrahlen. Der Betrachter neigt dazu, Treppen, verschiedene Straßenschilder oder vertraute Gegenstände zu sehen. Andere Symbole sind weniger ausgeprägt, sogar fiktiv und lassen Raum für Interpretationen.
Die gemeinsame Verständlichkeit, die es uns ermöglicht, die Welt um uns herum zu verhandeln, hängt von verschiedenen Verhaltensweisen der Zeichen und ihrer Bedeutungsproduktion ab. In ihrer materiellen Einfachheit und ihrem manövrierten Layout könnte die Architekturtypografie die Grundelemente einer semiotischen Studie einführen und unser Verständnis und unsere Zuschreibung von Zeichen und Symbolen offenlegen. Die Semiotik bildet, wie der Schweizer Sprachwissenschaftler Ferdinand de Saussure (1857-1913) untersuchte, ein ausgeklügeltes Verhalten darüber, wie wir „Dinge“ kennen und identifizieren (d. H. Das Bild einer Treppe). Wir kennen „Dinge“ aufgrund ihres Konventionssystems. Wenn wir an ein „Ding“ denken, denken wir an dieses „Ding“ als Zeichen. Wenn wir dieses „Ding“ nicht kennen, das heißt, wir können dieses „Ding“ in einem Zeichensystem nicht erkennen, wissen wir nicht, was es ist. Alles um uns herum kann nach einem herkömmlichen Zeichensystem erkannt, bewertet und ausgedrückt werden. Sprache ist daher nicht einfach eine Form der Bezugnahme auf die Außenwelt, sondern ein System von Elementen, die sich aufeinander beziehen, eine geschlossene Einheit des Seins. In einer geordneten Komposition und einer robusten Ästhetik kann die Architekturtypografie als visuelle Manifestation der Strukturlinguistik angesehen werden. Ein grundlegendes Netzwerk von Signifikanten - Bedeutungen und Symbole
Ein bemerkenswerter Aspekt der architektonischen Typografie ist die konkrete Zusammensetzung jeder Form. Ein Schwarz-Weiß-Bild von Beton wurde verwendet, um den Hintergrund jedes „architektonischen Typographen“ zu bilden. (Die medienübergreifende Darstellung von Texturen und Material ist zu einem Markenzeichen in Schwinds Oeuvre geworden.) Wie Bausteine oder Bauteile einer Baustelle vermitteln die konkreten semiotischen Symbole ein Element der Beständigkeit und Solidität. Wie der Titel schon sagt, sind die Symbole ein wesentlicher Bestandteil einer übergreifenden Struktur. Die Arbeit spielt eine starke Anspielung auf die gegenseitige Abhängigkeit, Vollständigkeit und Unveränderlichkeit unserer Kommunikationskonventionen im Allgemeinen. Das Klangbild von „Treppen“ ist unveränderlich mit unserem Konzept von Treppen verbunden, ebenso wie das Symbol einer roten Ampel mit der Aktion des Anhaltens. Wir können uns nicht mit den semiotischen Systemen anlegen, indem wir die Individualität unseres Willens auferlegen. Kommunikationskonventionen sind nicht nur festgelegt, sondern bilden allumfassende Rahmenbedingungen. Ein kraftsprachlicher Zusammenhang, der den Inhalt und die Art unseres Ausdrucks zusammensetzt und formt.
"Structures ist eine konstitutive Erweiterung der Reihe Architectural Typography. Dargestellt sind sechs fiktive Symbole (Signifikanten). Jeder Signifikant ist eine Verbindung verschiedener Elemente, die in der Architekturtypografie dargestellt werden. Structures geht einen Schritt über den strukturalistischen Standpunkt der Architekturtypografie hinaus, indem es die visuelle Erforschung eines Zeichensystems erweitert. Durch die fiktive Konstellation von Signifikanten fordert Schwind die Betrachter an die Grenzen der semiotischen Interpretation und erleichtert so die Dekonstruktion kommunikativer Konventionen. Durch eine experimentelle Anordnung von „primären“ Symbolen stellt Schwind neuartige Zeichen und Formen her. Die Kreationen des Künstlers können bekannte Assoziationen auslösen. eine Rakete, ein Stuhl oder ein Gebäude. Die Signifikanten scheinen jedoch aus, leicht manipuliert und manchmal völlig zufällig zu sein. Ähnlich wie bei einem psychologischen Rorschach-Test können die imaginativen Kompositionen experimentell schwache Zuschreibungen anregen, die Werke können jedoch auch die blendenden Grenzen unserer assoziativen Rahmenbedingungen offenlegen. wir sehen nichts. Der Künstler hinterfragt unsere konventionelle und endliche Struktur von Assoziation und Bedeutung. Die fotografische Serie geht dabei kritischer vor. Eine poststrukturalistische Reflexion der Machtstrukturen, die unseren Kommunikationskonventionen zugrunde liegen. Wir verwenden Sprache nicht für bestimmte Zwecke, sondern sie prägt, wer wir sind, eine erzählte und verengte Struktur, in der wir leben. Sowohl Architekturtypografie als auch Strukturen sind subtile, aber entschlossene Erkundungen unseres Sprachverständnisses in seiner endlichen Vielfalt , als Netzwerk von Assoziationen und Identifikation.
gefördert durch den 7. Bezirk